Das Grab von Marga (links) und Ihrem Ehemann Uri Goren (rechts)
Nachruf
Eine Straße für Marga Goren (Gothelf*) zum Hundertsten
Das Grab von Marga (links) und Ihrem Ehemann Uri Goren (rechts)
Mit großem Bedauern habe ich vom Tod unserer lieben Marga Goren (Gothelf) am 07.05.2024 in ihrem heutigen Zuhause in Rishon LeZion südlich von Tel Aviv in Israel erfahren. Sie wäre am 16. Mai 2024 99 Jahre alt geworden. Die Stimme der letzten bekannten jüdischen Zeitzeugin und Überlebenden des Holocausts aus Brandenburg an der Havel ist damit für immer verstummt.
„Zuhause“ – und das wurde mir in den Treffen mit Marga immer wieder bewusst – war für sie neben Israel auch Brandenburg an der Havel. Von hier aus floh sie als Kind 1938 vor der Gewaltherrschaft der Nazis in Deutschland im Zuge der „Polenaktion“ nach England und später nach Israel.
Ins goldene Buch der Stadt schrieb sie 2010:
„Langsam verdrängt unser Gedächtnis die schlechten Erinnerungen und wir gedenken die guten Zeiten unseres Lebens. Ich liebte die Stadt Brandenburg (Havel) und ihre Umgebung als Kind sehr und mit dem bin ich geblieben. Ich bedanke mich für ihre Einladung. Marga Goren-Gothelf“
Im Austausch mit der Familie in den vergangenen Tagen wurde ihre Verbundenheit mit der Stadt und der Ehrenbürgerschaft noch einmal deutlich. Nava Goren (Nichte) schrieb:
„She was so proud of it, the framed certificate hanged on the wall in the dining room, and she showed it to all her visitors.“
Nach jüdischer Tradition findet das Begräbnis innerhalb von 24 Stunden nach dem Ableben statt. Anschließend gibt es die siebentätige Trauerzeit „Shiva“, das s.g. „Sitzen“ der nahen Angehörigen für sieben Tage. Die Trauerzeit endet mit dem „Shloshim“, dem 30. Tag nach dem Tode des Menschen. Der Grabstein wird aufgestellt, so nun auch kürzlich der von Marga Goren auf dem Alten Friedhof in Rishon Lezion.
Wir können sehr froh sein, dass Marga ihre Lebensgeschichte insbesondere mit jungen Menschen in der Stadt Brandenburg an der Havel geteilt hat und als Zeitzeugin tätig war. Dies alles gegen das Vergessen. Einen Schlussstrich darf es nicht geben. Umso wichtiger ist es nun, Marga´s Geschichte lebendig und präsent zu halten.
Der 2012 entstandene Film „Ein Flüchtling hat keine Heimat“ wird hierbei helfen.
Bemerkenswert ist zudem, was Marga in den Jahren ihres Lebens in Israel aufgebaut hat: Sie sagte bei einem ihrer Besuche in Brandenburg an der Havel, dass sie Adolf Hitler besonders geärgert hätte, denn sie hat eine große jüdische Familie gegründet. Sie hat fünf Enkelkinder und 10 Urenkel.
Als Marga im Winter 1947 das Mandatsgebiet Palästina erreichte, machte sie sich zuerst auf den Weg in den Norden, um ihre Schwester Friedel zu finden, die Deutschland 1936 als Jugendliche verlassen konnte. Nach dem israelisch-arabischen Krieg 1948 heiratete sie Uri Goren, den sie bereits bei ihrer Arbeit in Südfrankreich 1947 kennengelernt hatte. Die beiden Söhne wurden in den 50er Jahren geboren. Marga wurde Lehrerin in der lokalen High School in Rishon LeZion, später Direktorin und ging in den 90er Jahren in Rente. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zieht sich durch ihr ganzes Leben. Während ihrer Zeit in England und Frankreich arbeitete sie vor allem mit jungen Menschen, die die Konzentrations- und Vernichtungslager der Deutschen überlebt hatten. 1986 besuchte sie erstmals Brandenburg an der Havel seit ihrer Deportation 1938, um das Grab ihres Vaters zu sehen. 2010 kam sie für Gespräche mit Jugendlichen nach Brandenburg an der Havel. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine Verbundenheit, die verschiedene Projekte und Besuche zur Folge hatte. 2015 war Marga das letzte Mal in ihrer Heimat. Seitdem reiste sie nicht mehr.
Sie liebte die Gartenarbeit, las gern Bücher in Hebräisch, Englisch und Deutsch. Jahrzehntelang ging sie jeden Morgen im städtischen Schwimmbad ihre Bahnen ziehen und hielt sich gesund.
Mit Freude blicke ich auf den 14.09.2022 zurück: Eine kleine Delegation aus der Stadt Brandenburg an der Havel hatte die Ehre, die bereits im Februar durch die SVV verliehene Ehrenbürgerurkunde offiziell in Israel an Marga zu übergeben. Es war ein großartiges Erlebnis sie inmitten Ihrer mehr als 40 Verwandten und Freunde zu sehen und zu erkennen, dass dieses beeindruckende Leben einen versöhnlichen Abschluss erhalten wird.
In Anerkennung ihrer Verdienste um das Gedenken an die Shoah, sowie als Ehrenbürgerin der Stadt Brandenburg an der Havel, ist es mehr als angebracht eine geeignete Straße in der Stadt nach Marga Goren (Gothelf) zu ihrem 100. Geburtstag im Mai 2025 zu benennen.
Weil sie es verdient und das Erinnern nie aufhören darf.
*Den Geburtsnamen Gothelf verwendete Marga nur während ihrer Aufenthalte in Brandenburg an der Havel. Im Zuge der Eheschließung mit Uri Goren nahm sie dessen Namen an. Ein offizieller Doppelname existierte nicht. Er ist auf dem Grabstein als Geburtsname verzeichnet.
Fotos: Mit freundlicher Freigabe von Nava und Avner Goren.